Grippeschutzimpfungen durch Apotheken ‒ von der Umsatzsteuer befreit!

Führen Apotheker Grippeschutzimpfungen durch oder überlassen sie Patienten Substitutionsmittel zum unmittelbaren Verbrauch, erbringen sie damit einen von der Umsatzsteuer befreiten Umsatz (Schreiben des Bundesfinanzministeriums vom 12.03.2021). Es darf deshalb kein Ausweis von Umsatzsteuer auf Rechnungen erfolgen, sonst droht eine Strafsteuer. Zugleich ist ein Vorsteuerabzug aus Eingangsrechnungen insoweit ausgeschlossen. Wir informieren, was diese Steuerbefreiung in der Praxis für Apotheken bedeutet.

Umsatzsteuerliche Behandlung von Medikamentenabgaben

Der Verkauf von Medikamenten und Heilmitteln sowie sonstigen Artikeln einer Apotheke unterliegt regelmäßig der Umsatzsteuer. Folglich müssen bei jedem verkauften Artikel meist 19 Prozent Umsatzsteuer einbehalten und an das Finanzamt abgeführt werden. Im Gegenzug steht der Apotheke ein Vorsteuerabzug aus Eingangsrechnungen zu. Die hierin ausgewiesene Umsatzsteuer kann sich die Apotheke vom Finanzamt als sogenannte Vorsteuer erstatten lassen bzw. diese wird mit der Umsatzsteuerschuld verrechnet. Im Saldo muss die Apotheke also die Differenz zwischen Ein- und Verkaufspreis abzüglich sämtlicher übrigen Kosten im Bereich der Umsatzsteuer versteuern.

Steuerbefreite Umsätze bei Krankenhausapotheken

Werden im Rahmen der stationären Versorgung Medikamente abgegeben, sind diese Umsätze nach § 4 Nr. 14 Buchst. b Umsatzsteuergesetz (UStG) steuerbefreit (vgl. Abschnitt 4.14.6 Abs. 2 Nr. 1 Umsatzsteueranwendungserlass [UStAE]). Hier fällt also keine Umsatzsteuer an. Im Gegenzug steht dem Apotheker allerdings auch kein Vorsteuerabzug aus den zugrunde liegenden Eingangsrechnungen entsprechender Medikamente zu. Gleiches gilt seit dem 01.04.2017 für die Abgabe von individuell für den einzelnen Patienten einer Apotheke des Krankenhauses hergestellten Arzneimitteln, wenn diese im Rahmen einer ambulant in den Räumen dieses Krankenhauses durchgeführten Heilbehandlung verwendet werden (Abschnitt 4.14.6 Abs. 2 Nr. 3 UStAE ‒ „Zytostatika- Urteil“ des Bundesfinanzhofs vom 24.09.2014, Az. V R 19/11, Abruf-Nr. 173569).

MERKE 

Die Abgabe von Fertigarzneimitteln für die ambulante Versorgung durch eine Krankenhausapotheke fällt damit nicht unter die Steuerbefreiung und löst die reguläre Umsatzsteuer aus.

Grippeschutzimpfungen und Substitutionsmittel

Durch § 132j Sozialgesetzbuch (SGB) V besteht für Apotheken seit dem 01.03.2020 die Möglichkeit, an regionalen Modellvorhaben zur Durchführung von Grippeschutzimpfungen in Apotheken teilzunehmen. Ferner wird es Apotheken durch eine Änderung der Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung (BtMVV) bereits seit dem 30.05.2017 ermöglicht, dem Patienten Substitutionsmittel zum unmittelbaren Verbrauch zu überlassen. Die Voraussetzung dafür ist, dass der substituierende Arzt mit der Apotheke eine entsprechende Vereinbarung getroffen hat (§ 5 Abs. 10 S. 2 Nr. 2 BtMVV).

Die umsatzsteuerliche Einordnung dieser beiden Leistungen war bislang umstritten. Nun hat sich das Bundesfinanzministerium (BMF, Schreiben vom 12.03.2021, Az. III C 3 - S 7170/20/10005 :001) positioniert und eine Steuerbefreiung für entsprechende Leistungen veranlasst. Denn es handelt sich hierbei nach Auffassung des BMF um eine einer Heilbehandlung im Bereich der Humanmedizin ähnliche heilberufliche Tätigkeit. Diese fällt unter die Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 Buchst. a S. 1 UStG, die allgemein für Ärzte, Zahnärzte, Heilpraktiker, Physiotherapeuten und Hebammen gilt. Zur weiteren Klarstellung hierzu wurde der UStAE um eine neue Nummer erweitert, in der die Leistungen aufgeführt werden (Abschnitt 4.14.4 Abs. 11 Nr. 14 UStAE). Die Steuerbefreiung gilt für sämtliche offenen Fälle.

Praxisfolgen der Steuerbefreiung

Aufgrund der klarstellenden Steuerbefreiung ergibt sich für Apotheken mit entsprechenden Leistungen akuter Handlungsbedarf.

Kein Umsatzsteuerausweis

Da diese Leistungen spätestens seit dem 01.04.2021 zwingend als umsatzsteuerfrei behandelt werden müssen, dürfen Apotheken in Rechnungen oder auf Kassenbons ab diesem Zeitpunkt keine Umsatzsteuer mehr ausweisen. Die Kassenprogrammierung sollte entsprechend kontrolliert und bei Bedarf angepasst werden. Denn wird weiterhin (zu Unrecht) Umsatzsteuer auf Kassenbons oder Rechnungen gegenüber dem Kunden ausgewiesen, obwohl es sich tatsächlich um einen umsatzsteuerfreien Umsatz handelt, schuldet die Apotheke den ausgewiesenen Steuerbetrag nach § 14c Abs. 1 UStG. Obwohl also eigentlich keine Umsatzsteuer anfällt, müsste die Apotheke dennoch die ausgewiesene Umsatzsteuer an das Finanzamt abführen. Dies führt zu einer effektiven Mehrbelastung und schmälert die Rendite der Apotheke. 

Zwar können die Rechnungen oder Kassenbons theoretisch auch nachträglich berichtigt und so die „Strafsteuer“ nach § 14c Abs. 1 UStG umgangen werden. Dies dürfte aber aufgrund der möglichen Vielzahl von Rechnungen oder Kassenbons mit einem verhältnismäßig hohen Aufwand verbunden sein.

Vorsteuerabzug bei Eingangsrechnungen ausgeschlossen

Durch die nun geltende Steuerbefreiung ist es der Apotheke nicht wie bisher gestattet, Vorsteuerbeträge aus Eingangsrechnungen, die mit den neuerdings befreiten Umsätzen in Zusammenhang stehen, vom Finanzamt zu fordern. Denn der Vorsteuerabzug ist nach § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG bei steuerfreien Umsätzen ausgeschlossen. Erhält die Apotheke folglich eine Eingangsrechnung bezüglich steuerbefreiter Ausgangsumsätze (z. B. Einkauf des Grippeimpfstoffs oder der Substitutionsmittel), ist anders als bei den übrigen Eingangsrechnungen aus diesen kein Vorsteuerabzug zulässig.

Vorsteueraufteilung für gemischt veranlasste Eingangsrechnungen

Gleiches gilt anteilig für gemischte Eingangsrechnungen wie Miete, Strom, Wasser, Gas, Büro- oder Renovierungskosten. Soweit diese sowohl mit steuerfreien als auch mit steuerpflichtigen Ausgangsumsätzen in Zusammenhang stehen, muss der hierin ausgewiesene Vorsteuerbetrag aufgeteilt werden. Abzugsfähig ist lediglich der Teil, der auf die steuerpflichtigen Umsätze entfällt. Der nicht abzugsfähige Teil ist nach § 15 Abs. 4 UStG zu schätzen. Da sich ein Schätzungsmaßstab schwer ermitteln lässt, kann hierfür auch das Umsatzverhältnis zwischen steuerpflichtigen und steuerfreien Umsätzen verwendet werden. Diese Aufteilung ist zudem nicht nur bei laufenden Nebenkosten, sondern auch bei einmaligen Anschaffungen erforderlich (z. B. Kauf eines neuen betrieblichen Pkws oder eines Kassensystems).

MERKE 

Sofern die Apotheken entsprechende Umsätze bereits vor dem 01.04.2021 ausgeführt haben, wird es durch das BMF und damit auch von den Finanzämtern nicht beanstandet, wenn diese nicht als steuerfrei, sondern als umsatzsteuerpflichtig behandelt werden. Auch diese vereinfachende Übergangsregelung ergibt sich aus dem BMF-Schreiben.

Grippeschutzimpfungen und Substitutionsmittel

Durch § 132j Sozialgesetzbuch (SGB) V besteht für Apotheken seit dem 01.03.2020 die Möglichkeit, an regionalen Modellvorhaben zur Durchführung von Grippeschutzimpfungen in Apotheken teilzunehmen. Ferner wird es Apotheken durch eine Änderung der Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung (BtMVV) bereits seit dem 30.05.2017 ermöglicht, dem Patienten Substitutionsmittel zum unmittelbaren Verbrauch zu überlassen. Die Voraussetzung dafür ist, dass der substituierende Arzt mit der Apotheke eine entsprechende Vereinbarung getroffen hat (§ 5 Abs. 10 S. 2 Nr. 2 BtMVV).

Die umsatzsteuerliche Einordnung dieser beiden Leistungen war bislang umstritten. Nun hat sich das Bundesfinanzministerium (BMF, Schreiben vom 12.03.2021, Az. III C 3 - S 7170/20/10005 :001) positioniert und eine Steuerbefreiung für entsprechende Leistungen veranlasst. Denn es handelt sich hierbei nach Auffassung des BMF um eine einer Heilbehandlung im Bereich der Humanmedizin ähnliche heilberufliche Tätigkeit. Diese fällt unter die Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 Buchst. a S. 1 UStG, die allgemein für Ärzte, Zahnärzte, Heilpraktiker, Physiotherapeuten und Hebammen gilt. Zur weiteren Klarstellung hierzu wurde der UStAE um eine neue Nummer erweitert, in der die Leistungen aufgeführt werden (Abschnitt 4.14.4 Abs. 11 Nr. 14 UStAE). Die Steuerbefreiung gilt für sämtliche offenen Fälle.

Praxisfolgen der Steuerbefreiung

Aufgrund der klarstellenden Steuerbefreiung ergibt sich für Apotheken mit entsprechenden Leistungen akuter Handlungsbedarf.

Kein Umsatzsteuerausweis

Da diese Leistungen spätestens seit dem 01.04.2021 zwingend als umsatzsteuerfrei behandelt werden müssen, dürfen Apotheken in Rechnungen oder auf Kassenbons ab diesem Zeitpunkt keine Umsatzsteuer mehr ausweisen. Die Kassenprogrammierung sollte entsprechend kontrolliert und bei Bedarf angepasst werden. Denn wird weiterhin (zu Unrecht) Umsatzsteuer auf Kassenbons oder Rechnungen gegenüber dem Kunden ausgewiesen, obwohl es sich tatsächlich um einen umsatzsteuerfreien Umsatz handelt, schuldet die Apotheke den ausgewiesenen Steuerbetrag nach § 14c Abs. 1 UStG. Obwohl also eigentlich keine Umsatzsteuer anfällt, müsste die Apotheke dennoch die ausgewiesene Umsatzsteuer an das Finanzamt abführen. Dies führt zu einer effektiven Mehrbelastung und schmälert die Rendite der Apotheke. 

Zwar können die Rechnungen oder Kassenbons theoretisch auch nachträglich berichtigt und so die „Strafsteuer“ nach § 14c Abs. 1 UStG umgangen werden. Dies dürfte aber aufgrund der möglichen Vielzahl von Rechnungen oder Kassenbons mit einem verhältnismäßig hohen Aufwand verbunden sein.

Vorsteuerabzug bei Eingangsrechnungen ausgeschlossen

Durch die nun geltende Steuerbefreiung ist es der Apotheke nicht wie bisher gestattet, Vorsteuerbeträge aus Eingangsrechnungen, die mit den neuerdings befreiten Umsätzen in Zusammenhang stehen, vom Finanzamt zu fordern. Denn der Vorsteuerabzug ist nach § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG bei steuerfreien Umsätzen ausgeschlossen. Erhält die Apotheke folglich eine Eingangsrechnung bezüglich steuerbefreiter Ausgangsumsätze (z. B. Einkauf des Grippeimpfstoffs oder der Substitutionsmittel), ist anders als bei den übrigen Eingangsrechnungen aus diesen kein Vorsteuerabzug zulässig.

PRAXISTIPP 

Ob eine Korrektur im Einzelfall lohnend ist, sollte sorgfältig geprüft werden. Es muss sich die Frage gestellt werden: Wie viel Aufwand muss zur Korrektur betrieben und wie viel „Strafsteuer“ kann dadurch vermieden werden?

Vorsteueraufteilung für gemischt veranlasste Eingangsrechnungen

Gleiches gilt anteilig für gemischte Eingangsrechnungen wie Miete, Strom, Wasser, Gas, Büro- oder Renovierungskosten. Soweit diese sowohl mit steuerfreien als auch mit steuerpflichtigen Ausgangsumsätzen in Zusammenhang stehen, muss der hierin ausgewiesene Vorsteuerbetrag aufgeteilt werden. Abzugsfähig ist lediglich der Teil, der auf die steuerpflichtigen Umsätze entfällt. Der nicht abzugsfähige Teil ist nach § 15 Abs. 4 UStG zu schätzen. Da sich ein Schätzungsmaßstab schwer ermitteln lässt, kann hierfür auch das Umsatzverhältnis zwischen steuerpflichtigen und steuerfreien Umsätzen verwendet werden. Diese Aufteilung ist zudem nicht nur bei laufenden Nebenkosten, sondern auch bei einmaligen Anschaffungen erforderlich (z. B. Kauf eines neuen betrieblichen Pkws oder eines Kassensystems).

Beispiel

Apotheker A tätigt im Jahr 2020 einen Umsatz von 1.000.000 Euro netto. Davon entfallen 50.000 Euro auf die steuerbefreite Abgabe von Substitutionsmitteln und Grippeschutzimpfungen. In Eingangsrechnungen wurden ihm insgesamt Umsatzsteuern in Höhe von 90.000 Euro berechnet. Hiervon stehen 60.000 Euro direkt mit steuerpflichtigen und 5.000 Euro mit den steuerbefreiten Umsätzen in Zusammenhang. Die übrigen 25.000 Euro lassen sich keinem Umsatz direkt zuordnen (Fixkosten wie Miete, Strom, Gas, Wasser, Renovierung etc.). 

Lösung

Ohne Steuerbefreiung hätte A bei einem Umsatz von 1.000.000 Euro Umsatzsteuern in Höhe von 190.000 Euro (19 Prozent) bezahlen müssen. Im Gegenzug hätte er einen Vorsteuerabzug von 90.000 Euro erhalten. Im Saldo müsste er 100.000 Euro bezahlen. Aufgrund der Steuerbefreiung reduziert sich die Umsatzsteuer auf 180.500 Euro (19 Prozent von 950.000 Euro). Im Gegenzug ist die direkt auf die steuerfreien Umsätze entfallende Vorsteuer von 5.000 Euro nicht mehr abzugsfähig. Die Vorsteuer aus den Fixkosten von 25.000 Euro ist ebenfalls nur anteilig in Höhe von 23.750 Euro zu berücksichtigen (25.000 Euro ÷ 1.000.000 Euro × 950.000 Euro). Die abzugsfähige Vorsteuer reduziert sich daher von bisher 90.000 Euro auf 83.750 Euro. Im Saldo muss A 96.750 Euro bezahlen. Er erhält eine Ersparnis von 3.250 Euro aufgrund der steuerfreien Umsätze.

 
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