Steuerliche Konsequenzen im Falle der Insolvenz eines Rezeptabrechners

Sofern ein Apotheker von einem Ausfall seines Rezeptabrechners betroffen ist, stellen sich neben den rein vertrags-, berufs- und insolvenzrechtlichen Fragen auch solche nach der ertrag- und insbesondere umsatzsteuerlichen Handhabung solcher „Forderungsausfälle“. Sowohl im Einkommen- als auch im Umsatzsteuerrecht führt die Uneinbringlichkeit einer Forderung letztlich dazu, dass ein steuerlich zu berücksichtigender Forderungsausfall angenommen werden kann und die jeweilige Forderung somit abzuschreiben ist. Micro erläutert, wie zu verfahren ist. 

 
 

Uneinbringlichkeit in der Einkommensteuer

Forderungen sind bereits dem Grunde nach mit einem allgemeinen Ausfallrisiko belastet. Sofern dieses Risiko über das übliche Maß hinausgeht, ist ihm innerhalb des Bilanzansatzes gerecht zu werden. Zweifelhafte Forderungen sind im Wege einer Einzelwertberichtigung mit ihrem wahrscheinlichen Wert anzusetzen, uneinbringliche Forderungen sind abzuschreiben. Von einem erhöhten Ausfallrisiko ist insbesondere dann auszugehen, wenn über das Vermögen des Schuldners das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Auch in diesem Fall ist der wahrscheinliche Wert der Forderung, d. h. der Wert unter Berücksichtigung einer zu erwartenden Insolvenzquote, zu ermitteln. Sollte die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens bereits mangels Masse abgelehnt werden, liegt vollumfängliche Uneinbringlichkeit vor. Im Fall der insolventen AvP Deutschland GmbH (AvP) wurden durch den Insolvenzverwalter im Gläubigerausschuss Quotensimulationen i. H. v. 50 Prozent dargestellt, sodass sich eine Forderungsabschreibung i. H. v. 50 Prozent sehr gut vertreten ließe.

Uneinbringlichkeit in der Umsatzsteuer

Im Gegensatz zur Handhabung innerhalb der Einkommensteuer kann in der Umsatzsteuer eine nur zweifelhafte Forderung nicht berichtigt werden. Hier sieht
§ 17 Umsatzsteuergesetz (UStG) vor, dass eine Berichtigung nur erfolgen kann, soweit Uneinbringlichkeit eingetreten ist. Gemäß den Ausführungen innerhalb des Umsatzsteueranwendungserlasses (Abschnitt 17.1 UStAE) tritt grundsätzlich spätestens mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens Uneinbringlichkeit ein. Umsatzsteuer ist unabhängig von ihrer Vereinnahmung abzuführen.

Hinsichtlich der Frage der Uneinbringlichkeit ‒ und damit der Frage der Änderung der Bemessungsgrundlage i. S. v. § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG aufgrund der Insolvenz des Apothekenrechenzentrums AvP ‒ hat das FG Baden-Württemberg mit Urteil vom 31.03.2022 (Az. 1 K 2073/21, Rev. beim Bundesfinanzhof [BFH]: XI R 15/22) wie folgt entschieden: Ein Apotheker, der mit der Abrechnung seiner Leistungen gegenüber den Krankenkassen und dem Einzug des Entgelts für seine Rechnung einen Dritten (Abrechnungszentrum) beauftragt, vereinnahmt das Entgelt bereits bei Zahlung der Krankenkasse an das Abrechnungszentrum. Das Entgelt wird nicht i. S. d. § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG uneinbringlich, wenn über das Vermögen des Abrechnungszentrums nach Erhalt des Entgelts von der Krankenkasse und vor dessen Weiterleitung an den Apotheker das Insolvenzverfahren eröffnet wird.

Weder die Abtretung der Forderung an das Abrechnungszentrum noch eine reine Einziehungsermächtigung hat nach Auffassung des Gerichts Einfluss auf das der Umsatzbesteuerung zugrunde liegende Rechtsverhältnis zwischen Leistungserbringer (Apotheke) und -empfänger (Krankenkasse). Die Krankenkassen haben durch Zahlung an den Rezeptabrechner mit offenkundiger Einwilligung des Leistungserbringers (Apotheke) und demnach mit erfüllender Wirkung geleistet. Das Leistungsverhältnis zwischen Apotheke und Rezeptabrechner sei von dem hier zu beleuchtenden Leistungsaustausch zwischen Apotheke und Krankenkasse strikt abgetrennt zu betrachten. Damit führe die Insolvenz des Abrechnungszentrums AvP nicht zur Uneinbringlichkeit der Forderung und die Umsatzsteuer ist unabhängig von ihrer Vereinnahmung abzuführen.

Billigkeitsmaßnahme nach § 163 Abs. 1 S. 1 und § 227 AO

Neben dieser aus Apothekensicht als sehr unerfreulich zu bewertenden Urteilsfindung hat sich das FG zum Ende seiner Entscheidungsgründe zu der Möglichkeit einer Billigkeitsmaßnahme nach § 163 Abs. 1 S. 1 und § 227 Abgabenordnung (AO) geäußert, die diesbezügliche Frage jedoch offengelassen, da ein Verwaltungsakt, der eine solche Maßnahme ganz oder teilweise ablehnt, nicht Gegenstand der Klage war. Nach dieser Regelung können Steuern niedriger festgesetzt werden und einzelne Besteuerungsgrundlagen, die die Steuern erhöhen, bei der Festsetzung der Steuer unberücksichtigt bleiben, wenn die Erhebung der Steuer nach Lage des Einzelfalls unbillig wäre.

Es ist daher offen, ob eine abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen infrage kommen kann. Gemäß § 300 Abs. 2 Sozialgesetzbuch (SGB) V können Apotheken für die Erfüllung der Pflichten des § 300 SGB V
 Rechenzentren in Anspruch nehmen. Da jedoch die Anforderungen an die Rezeptabrechnungen hochkomplex sind, verengt sich diese Möglichkeit aus Gründen der Wettbewerbsfähigkeit und zum Erhalt der Handlungsfähigkeit letztlich zu einer Pflicht. Diese tatsächlich unvermeidbare Sachlage könnte dafürsprechen, dass aufgrund des Abrechnungsverfahrens gemäß
§ 300 Abs. 1 SGB V eine Billigkeitsmaßnahme nach
§ 163 Abs. 1 S. 1 und § 227 AO infrage kommt.

FAZIT

Ertragsteuerlich ist auf die offenen Forderungen eine Teilwertabschreibung auf eine zu erwartende Insolvenzquote vorzunehmen. Hinsichtlich der Umsatzsteuer ist einerseits abzuwarten, ob der BFH im anhängigen Verfahren zu einer anderen Rechtsauffassung kommt. Andererseits sind die entsprechenden Umsatzsteuerbescheide zwingend offenzuhalten, um eine spätere Änderung erreichen zu können und darüber hinaus zu erwägen, ob ein Antrag auf eine Billigkeitsmaßnahme nach § 163 Abs. 1 S. 1 und § 227 AO zu stellen ist.

 
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